Deutsche Schostakowitsch Gesellschaft e.V.

Dmitri Schostakowitsch, 25. September 1906  ─  9. August 1975

Nachrichten aus dem Jahr 2017

Versteckte Botschaften in Schostakowitschs Musik

Zwischen Dmitri Schostakowitschs 9. und 10. Sinfonie liegen Welten. Heiter-ironisch, wie ein „musikalischer Spaß“ kommt die eine daher, düster-melancholisch, grüblerisch die andere. In den acht Jahren, die zwischen der Entstehung dieser beiden, auf den ersten Blick so ungleichen Musikwerke vergingen, war viel geschehen: die Erleichterung der Menschen in der Sowjetunion über den unter ungeheuren Opfern errungenen Sieg über Hitlerdeutschland und den Faschismus war tiefer Ernüchterung gewichen, Stalins Terrorregime hatte erneut die Daumenschrauben angezogen. Über Europa, diesen durch zwei schreckliche Kriege, verbrecherische Diktaturen und wirtschaftliche Krisen so vollständig ruinierten Kontinent, hatte sich der Eiserne Vorhang gesenkt und ihn in zwei scheinbar unverrückbare Blöcke zerschnitten, die einander zunehmend feindlich gegenüberstanden.

Wie kaum ein anderer Komponist reflektierte Schostakowitsch in seiner Musik die geschichtlichen Ereignisse und Entwicklungen seiner Zeit. In zwei bemerkenswerten Beiträgen für die Neue Zürcher Zeitung und BR-Klassik haben sich der Schweizer Musikwissenschaftler Jakob Knaus und der lettische Dirigent Andris Nelsons mit der 9., beziehungsweise der 10. Sinfonie Dmitri Schostakowitschs auseinandergesetzt. Während Knaus in seiner akribischen Analyse der Neunten eine sehr spezielle und überaus mutige „Widmung“ an Stalin entdeckt - in der sich der „Weiseste der Weisen“ als Esel entpuppt, reflektiert Nelsons die Zehnte im Spiegel seiner eigenen Geschichte und der seiner Familie. Und kommt zu dem Schluss: „Schostakowitsch war ein genialer Komponist, deshalb kann man seine Musik auch ohne ihre zeitgebundene Bedeutung verstehen. Zugleich kann man sie auch auf die politische Gegenwart beziehen. Wenn man das heute spielt, denkt man: Mein Gott, wie viele Parallelen gibt es zu dem, was wir erleben!“

Andris Nelsons über Schostakowitschs Zehnte:

Jakob Knaus über das Geheimnis von Schostakowitschs 9. Sinfonie:



Vier Uraufführungen in Gohrisch

Viele Freunde der Musik Dmitri Schostakowitschs werden sich den Termin schon längst rot im Terminkalender angestrichen haben: Vom 23. bis. 25. Juni 2017 finden die 8. Internationalen Schostakowitsch Tage Gohrisch statt. Das weltweit einzige regelmäßig stattfindende Festival, das der Musik des großen russischen Komponisten gewidmet ist, hat sich längst einen festen Platz im internationalen Konzertkalender erobert und lockt alljährlich zahlreiche Schostakowitsch-Fans aus aller Welt in die Sächsische Schweiz. Das Festivalprogramm hält in diesem Jahr zahlreiche Neuheiten bereit: Neben den Musikerinnen und Musikern der Sächsischen Staatskapelle Dresden, die natürlich wieder mit von der Partie sind, werden zahlreiche Gäste ihr Debüt in Gohrisch geben – darunter so namhafte Künstler wie der Dirigent Thomas Sanderling, die Geiger Dmitri Sitkovetsky und Linus Roth, die Pianisten Alexander Melnikov und Elisaveta Blumina oder das Raschèr Saxophone Quartet. Auch musikalisch gibt es Neues zu entdecken: Neben Dmitri Schostakowitsch stehen die Komponisten Mieczysław Weinberg und Sofia Gubaidulina im Fokus – und das Programm hält vier Uraufführungen bereit. 

Neu ist das Sonderkonzert der Sächsischen Staatskapelle in der Semperoper, am 22. Juni 2017, dem Vorabend des Festivals. Hierbei wird Dirigentenlegende Gennady Rozhdestvensky, der Preisträger des Gohrischer Schostakowitsch-Preises 2016, die erste und die 15. Symphonie Dmitri Schostakowitschs dirigieren. Damit hält erstmals auch die großbesetzte Symphonik Schostakowitschs Einzug in das Festivalprogramm. 

Wie der künstlerische Leiter Tobias Niederschlag bei der Vorstellung des Festivalprogramms am 15. Februar bekannt gab, befindet sich unter den Uraufführungen auch ein Stück von Dmitri Schostakowitsch. Dabei handelt es sich um drei Orchester-Zwischenspiele, die er für seine im Sommer 1928 vollendete Oper „Die Nase“ komponierte. Sie fanden am Ende aber doch keine Verwendung und waren erst 2015 wieder entdeckt worden. Zwei dieser Fragmente hatte der russische Musikwissenschaftler Levon Hakobian im September 2015 beim XVII. Musikwissenschaftlichen Symposium der Deutschen Schostakowitsch Gesellschaft in Berlin kurz vorgestellt.

Das genaue Programm der diesjährigen Schostakowitsch Tage Gohrisch finden Sie hier:


Schostakowitsch und Ljatoschynskyj im musikalischen Dialog 

Am Samstag, 11. Februar 2017 findet um 19.30 Uhr ein Konzert für Violine und Klavier mit Werken von Dmitri Schostakowitsch und Borys Ljatoschynskyj in der Münchner Philharmonie (Kleiner Saal, Gasteig) statt. Es werden vier Präludien für Klavier, op. 44, die Sonate für Violine und Klavier, op. 19 von Boris Ljatoschynskyj und die Sonate für Violine und Klavier, op. 134 von Dmitri Schostakowitsch aufgeführt. Der Eintritt ist frei. Solisten sind die Violinistin Lviv Lydia Shutko, Professorin an der Mikola-Lysenko-National-Musikakademie und  der Pianist Ivan Franko, Professor an der National-Universität in Lviv. Das weltbekannte Duo feierte im Jahr 2014 sein 20-jähriges Jubiläum. In München sind diese herausragenden ukrainischen Musiker längst keine Unbekannten mehr. Das Duo gastierte bereits mit einem Beethoven-Programm  in der Münchner Philharmonie und führte dort auch kaum bekannte Werke ukrainischer Komponisten des 20. und 21. Jahrhunderts auf. Es war ein ganz außergewöhnliches Ereignis.

Die Musikalische Dialoge von Schostakowitsch und Ljatoschynskyj finden in Deutschland zum ersten Mal statt. Das Projekt der Ukrainischen Freien Universität München  versucht in einer schwierigen politischen Situation, die momentan die Ukraine erlebt, zu zeigen, wie kulturelles und künstlerisches Engagement positiv wirkt, um intellektuelle und künstlerische Kräfte zusammenzubringen. Überdies darf nie aufgehört werden, vor totalitäreren Systemen zu warnen. In solch einer Gesellschaft haben Schostakowitsch und Ljatoschynskyj gelebt, gearbeitet und gelitten. Eine ausführliche Einführung der ukrainischen Musikwissenschaftlerin Adelina Yefimenko finden Sie hier 


Grammy für Schostakowitsch-Einspielung 

Der lettische Dirigent Andris Nelsons und das Boston Symphonie Orchestra wurden in Los Angeles mit dem Musik-Award Grammy 2017 in der Kategorie „Beste orchestrale Ausführung“ ausgezeichnet. Der designierte Gewandhauskapellmeister erhielt die begehrte Auszeichnung für seine bei der Deutschen Grammophon erschienenen Einspielung von Dmitri Schostakowitschs Symphonien Nr. 5, 8 und 9. Schon im Vorjahr wurde Andris Nelsons Aufnahme von Schostakowitschs Symphonie Nr. 10 mit einem Grammy dekoriert. Der Preis gilt als die höchste internationale Auszeichnung für Künstler und Aufnahmeteams. Er ist von der Bedeutung vergleichbar mit dem Oscar in der Filmindustrie. 


Ein einziger Leidensschrei

Im Mai 2015 brillierte Frank Peter Zimmermann gemeinsam mit den Berliner Philharmonikern unter Mariss Jansons mit Dmitri Schostakowitschs Violinkonzert Nr. 2 cis-Moll op. 129. Das Konzert wurde live in zahlreichen Kinos übertragen. Nun legt der gefeierte deutsche Violinist eine Neueinspielung beider Violinkonzerte Dmitri Schostakowitschs nach - diesmal zusammen mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester unter der Leitung von Alan Gilbert. Guido Fischer lobt die „tolle, bewegende Aufnahme“ in einer Rezension für das Rondomagazin. Die großartige Kadenz im dritten Satz des Violinkonzerts Nr. 1 a-Moll, op. 77 interpretiere der Solist wie einen einzigen Leidensschrei des Komponisten.   


75 Jahre „Leningrader Symphonie“

Inmitten des von den Deutschen belagerten Leningrads schrieb Dmitri Schostakowitsch ein patriotisches Meisterwerk gegen Krieg, Terror und Gewalt: die „Leningrader Symphonie“. Vor 75 Jahren, am 5. März 1942, wurde sie in Kuibyschew, dem heutigen Samara, vom Orchester des Bolschoi Theaters Moskau unter der Leitung von Samuil Samosud uraufgeführt - und bald darauf zum Welterfolg. Dass Schostakowitschs Siebte weit mehr ist, als nur ein tönendes Stück Zeitgeschichte, sondern eine engagiert-mutige Anklage gegen jede Art von Totalitarismus und dazu ein fesselndes, die Zuhörer auch heute noch zutiefst berührendes Kunstwerk, haben gerade in jüngster Zeit eine ganze Reihe exemplarischer Aufführungen und Einspielungen gezeigt. Thomas Hartmann und Thomas Zenke würdigen die „Leningrader“ auf MDR Kultur und im Deutschlandfunk.   




G-20-Gipfel: Mit Schostakowitsch gegen Autokraten?

Der EKD-Kulturbeauftragte Johann Hinrich Claussen hat eine kritische Auseinandersetzung mit der Rolle der Elbphilharmonie beim G-20-Gipfel am 7. und 8. Juli 2017  in Hamburg eingefordert. „Man sollte ein Konzerthaus nicht umstandslos zur Bühne für die Mächtigen dieser Welt machen“, erklärte der langjährige Hamburger Propst und Hauptpastor in einem Gastbeitrag für die „Zeit“-Beilage „Christ & Welt“. Dies verbiete sich vor allem dann, „wenn sich unter diesen Mächtigen einige hoch problematische Autokraten befinden“. „Wenn Künstler vor Großpolitiker treten, dann dürfen sie auf keinen Fall zu deren Dienern werden“, betonte Claussen.

Die Elbphilharmonie dürfe sich daher nicht einfach dafür hergeben, ein diplomatisches Arbeitstreffen kulturell zu überhöhen. Zwar biete die Elbphilharmonie für Gipfelfotos aller Art eine grandiose Kulisse. Aber ein „wirkliches Wahrzeichen“ sollte auch „ein Verhältnis zur Wahrheit“ haben - samt einer „ethischen Haltung“. Schon ein kurzer Blick auf die Gästeliste zeige die Probleme, schreibt Claussen. US-Präsident Donald Trump stehe „als Rechtspopulist und Repräsentant amerikanischer trash-culture für eine politisch gefährliche Kunstverachtung“ und habe sich längst „als Feind der Freiheit“ erwiesen. „Wie will man vor ihm mit ruhiger Hand den Geigenbogen führen?“ Mit Blick auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan schrieb Claussen: „Die von ihm betriebene Abschaffung der Demokratie vollzieht sich als Verfolgung all derer, die für die Freiheit des Geistes eintreten: Journalisten, Wissenschaftler, Künstler.“

Verantwortlich für das Konzert seien Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Bundesregierung. „Bitte werft die Neunte Sinfonie von Beethoven mit ihrer Freuden- und Freiheitshymne nicht Autokraten zu Füßen, bloß weil sie so festlich ist“, appellierte der Theologe. Musiker müssten „beweisen, dass sie wie alle Künstler, Wissenschaftler und Journalisten für die Freiheit des Geistes einstehen“. Claussen schlägt vor, für das Programm Komponisten auszuwählen, die einen Widerstand markieren. Der sowjetische Komponist Dmitri Schostakowitsch zum Beispiel, der Zeit seines Lebens unter dem stalinistischen Terror gezittert hat - was man seiner Musik auch anmerke. (epd)


8. Schostakowitsch Tage Gohrisch mit vier Uraufführungen

Sofia Gubaidulina © Foto: Sikorski Verlag

Im Rahmen einer Pressekonferenz wurde das Programm der 8. Internationalen Schostakowitsch Tage vorgestellt, die vom 23. bis 25. Juni 2017 in Kurort Gohrisch (Sächsische Schweiz) stattfinden werden. Im Fokus stehen dabei neben Dmitri Schostakowitsch die Werke von zwei weiteren Komponisten: Mieczysław Weinberg und Sofia Gubaidulina. Das Programm hält eine Deutsche Erstaufführung und gleich vier Uraufführungen bereit. Von Sofia Gubaidulina, die in der laufenden Saison bereits zum zweiten Mal als Capell-Compositrice der Sächsischen Staatskapelle Dresden amtiert, wird das Ensemblewerk „Die Pilger“ (2014) zur deutschen Erstaufführung gelangen; außerdem wird ihr neuestes Kammermusikwerk „Einfaches Gebet“, das sich an ihr 2016 in Dresden erstaufgeführtes Oratorium „Über Liebe und Hass“ anlehnt, in seiner deutschsprachigen Fassung in Gohrisch seine Uraufführung erleben. Auch Mieczysław Weinbergs Largo für Violine und Klavier sowie seine zweite Kammersymphonie op. 147 in der viersätzigen Fassung werden in Gohrisch erstmals öffentlich aufgeführt.

Eine Sensation ist die Uraufführung eines bislang unbekannten Werkes von Dmitri Schostakowitsch: Unter der Leitung von Thomas Sanderling wird ein Kammerorchester aus Mitgliedern der Sächsischen Staatskapelle Dresden drei Fragmente, die nicht in die finale Version der Oper Die Nase op. 15 aufgenommen wurden, in der Gohrischer Konzertscheune aus der Taufe heben. Die Zwischenspiele wurden nicht in der Leningrader Uraufführung der Oper (1930) berücksichtigt und sind demzufolge bislang nie im Druck erschienen. Durch den Komponisten und Präsidenten der Deutschen Schostakowitsch-Gesellschaft Krzysztof Meyer wurde Thomas Sanderling auf das Manuskript aufmerksam, dessen Uraufführung ihm daraufhin Schostakowitschs Witwe Irina Antonowna anvertraute. 

Tobias Niederschlag, Künstlerischer Leiter der Schostakowitsch Tage: „Wir fühlen uns sehr geehrt, dass Thomas Sanderling diese späte Schostakowitsch-Uraufführung bei unserem Festival in Gohrisch dirigieren wird. Zum ersten Mal wird damit an dem Ort, an dem Schostakowitsch sein achtes Streichquartett komponierte, auch ein ‚neues‘ Werk von ihm erstmals überhaupt zu hören sein.“

Mieczysław Weinberg © Foto: Internationale Weinberg Gesellschaft

Auch 2017 wird das Festival künstlerisch maßgeblich von der Sächsischen Staatskapelle Dresden ausgerichtet. Daneben musizieren viele namhafte Gastkünstler, die allesamt zum ersten Mal in Gohrisch zu erleben sein werden: Neben dem Dirigenten Thomas Sanderling sind dies die Pianisten Viktoria Postnikova, Alexander Melnikov, Elisaveta Blumina und José Gallardo, die Geiger Linus Roth und Dmitry Sitkovetsky, der Cellist Emil Rovner und das Raschèr Saxophone Quartet. Alexander Melnikov wird in zwei Konzerten sämtliche Präludien und Fugen op. 87 von Schostakowitsch zur Aufführung bringen; den epochalen Klavierzyklus schrieb der Komponist 1950/51 nach seinem Besuch des Internationalen Bach-Wettbewerbes in Leipzig. Im Rahmen einer Kammermatinee wird die Komponistin Sofia Gubaidulina am 25. Juni 2017 mit dem 8. Internationalen Schostakowitsch Preis Gohrisch ausgezeichnet.

Erstmals findet in diesem Jahr am Vorabend der Schostakowitsch Tage ein Sonderkonzert der Sächsischen Staatskapelle Dresden in der Semperoper statt. Dirigentenlegende Gennady Rozhdestvensky leitet in diesem Konzert die erste und die letzte Symphonie von Schostakowitsch; damit findet erstmals auch die groß besetzte Symphonik des Komponisten Eingang in das Festivalprogramm

Die Programmbroschüre als Download finden Sie hier 


Dmitri Schostakowitsch © Foto: Association internationale Dimitri Chostakovitch Paris


Faszination Schostakowitsch – Warten auf eine Uraufführung

Am 22. Juni 2017 beginnen die 8. Internationalen Schostakowitsch Tage Gohrisch. Einer der Höhepunkte des diesjährigen Festivals dürfte zweifelsohne die Uraufführung dreier vom Komponisten nicht verwendeter Zwischenspiele für seine Oper „Die Nase“ sein. Die drei Raritäten wurden erst vor zwei Jahren wiederentdeckt – gut 87 Jahre nachdem Schostakowitschs Opernerstling in Leningrad erstmals erklang. Jörg Schurig, Redakteur bei der Deutschen Presseagentur, hat sich im Vorfeld mit Festivalleiter Tobias Niederschlag, mit dem Dirigent Thomas Sanderling, der am 25. Juni die bislang ungespielten Stücke gemeinsam mit der Staatskapelle Dresden aus der Taufe heben wird und mit dem Komponisten Krzysztof Meyer, Schostakowitsch-Biograph und Präsident der Deutschen Schostakowitsch Gesellschaft, unterhalten.  

Auch Lucas Wiegelmann beschäftigt sich in der Welt mit den drei in Gohrisch uraufgeführten Nase-Zwischenstücken und hat hierzu mit dem russischen Musikwissenschaftler Levon Hakobian gesprochen, der sie zufällig im Moskauer Schostakowitsch-Archiv entdeckte und zwei davon im September 2015 beim XVII. Musikwissenschaftlichen Symposium unserer Gesellschaft in Berlin vorstellte.


Schostakowitsch-Sonderpreis 2017 in Berlin verliehen

Große und kleine Talente konnte man beim traditionellen Schostakowitsch-Wettbewerb der gleichnamigen Musikschule in Berlin-Lichtenberg bewundern, der zum siebten Mal viele Interessierte in das Oskar-Ziethen-Bildungszentrum lockte. Die Ergebnisse zeigen, auf welch gutem Niveau der Unterricht an der bezirklichen Musikschule stattfindet. Zwölf der 87 Teilnehmer der Kategorien Klavier, Gitarre und Bläser im Alter zwischen sieben und 23 Jahren nahmen mit ausgezeichnetem Erfolg teil und wurden mit einem ersten Preis ausgezeichnet. Auf dem Preisträgerkonzert am 22. März im Kulturhaus Karlshorst, das Bezirksstadträtin Katrin Framke eröffnete, präsentierten die Besten Ausschnitte aus ihrem Wettbewerbsprogramm und erhielten von einem begeisterten Publikum viel Applaus.

Für die gelungenste Interpretation eines Werkes von Dmitri Schostakowitsch, dem Namenspatron der Musikschule, erhielten der zwölfjährige Max Winklmeier (Saxophon), der ebenfalls zwölfjährige Lando Schwarze und die vierzehnjährige Mirijam Stitz (beide Klavier) den zusätzlich ausgelobten Schostakowitsch-Sonderpreis 2017, der von der Deutschen Schostakowitsch Gesellschaft e.V. gestiftet wurde. Die Preise übergab der Vizepräsident der Gesellschaft, Gottfried Eberle. Weitere Informationen finden Sie auf der Website der Musikschule: 


Die Preisträger des Schostakowitsch-Wettbewerbs 2017 der Musikschule in Berlin-Lichtenberg. Ganz links Schulleiter Olaf Hengst, daneben Gottfried Eberle, Vizepräsident der Deutschen Schostakowitsch Gesellschaft e.V. Foto: Bezirksamt Berlin-Lichtenberg


Ratmanskys „Shostakovich Trilogy“ – eine Tanzsternstunde

 Bei der Premiere vor vier Jahren in New York war die Reaktion des amerikanischen Publikums noch eher verhalten. Beim zweiten Premierenanlauf in Amsterdam wurde Alexei Ratmanskys „Shostakovich Trilogie“ jetzt vom Publikum als Meisterwerk des modernen Tanztheaters gebührend gefeiert. Der ehemalige Bolschoi-Tänzer ist seit 2009 als Artist in Residenz beim American Ballet Theater tätig. Seine Choreographien gelten als hochsensibel, fantasiereich und intelligent konstruiert. Seine „Shostakovich Trilogy“ greift auf Schostakowitschs 9. Symphonie, die Kammersymphonie op. 110a (nach dem 8. Streichquartett) und auf das 1. Klavierkonzert zurück. In ihrer Rezension für die Frankfurter Allgemeine Zeitung schwärmt Wiebke Hüster von einer Tanzsternstunde und der Geburt eines Klassikers.   




Gubaidulina und Weinberg im Fokus

Mit der Uraufführung von drei Fragmenten aus Dmitri Schostakowitschs Oper „Die Nase“ sind die 8. Internationalen Schostakowitsch Tage Gohrisch am 25. Juni 2017 erfolgreich zu Ende gegangen. Thomas Sanderling leitete ein Kammerorchester aus Musikern der Sächsischen Staatskapelle Dresden, die für ihre Darbietung bejubelt wurden. Neben der Schostakowitsch-Premiere dirigierte Sanderling außerdem die Uraufführung der viersätzigen Kammersymphonie Nr. 2 von Mieczysław Weinberg, dem ein weiterer Festivalschwerpunkt gewidmet war. 

Nahezu 3000 Besucher strömten zu den insgesamt sechs Konzerten in die Gohrischer Konzertscheune, darunter auch Gäste aus Frankreich, England, Norwegen, Tschechien, der Schweiz, den Niederlanden und den USA. Die Auslastung lag bei annähernd 90 Prozent. Neben Schostakowitsch und Weinberg stand außerdem die Musik der Komponistin Sofia Gubaidulina im Fokus, von der u.a. eine Uraufführung und eine Deutsche Erstaufführung in Gohrisch zu erleben waren. Die aktuelle Capell-Compositrice der Sächsischen Staatskapelle, die während des gesamten Festivals in der Sächsischen Schweiz anwesend war, beendete damit ihre Dresdner Residenz und wurde am letzten Festivaltag mit dem 8. Internationalen Schostakowitsch Preis Gohrisch ausgezeichnet. 

In den übrigen Programmen begeisterten Künstler wie das Raschèr Saxophone Quartet, die Schlagwerkformation Slagwerk Den Haag, die Pianisten Viktoria Postnikova, Elisaveta Blumina und Florian Uhlig, die Geiger Linus Roth und Dmitry Sitkovetsky, der Posaunist Frederic Belli sowie zahlreiche Solisten aus den Reihen der Sächsischen Staatskapelle das Gohrischer Publikum. Für die Aufführung sämtlicher 24 Präludien und Fugen op. 87 von Dmitri Schostakowitsch wurde der Pianist Alexander Melnikov mit Standing Ovations gefeiert. Alle Künstler verzichteten auch in diesem Jahr in Gohrisch auf ein Honorar. 

Einen ausführlichen Bericht von Karlheinz Schiedel über die 8. Internationalen Schostakowitsch Tage Gohrisch finden Sie hier: 


8. Internationale Schostakowitsch Tage Gohrisch: Musiker der Staatskapelle Dresden unter Thomas Sanderling bei der Uraufführung der "Nase"-Zwischenspiele. Foto ©: Matthias Creutziger


Ein streitbarer Ausnahmekünstler

Igor Levit gilt als einer der profiliertesten Pianisten der Gegenwart. Seine vom Publikum gefeierten Auftritte bei den Internationalen Schostakowitsch Tagen Gohrisch zählen zu den Sternstunden des Festivals. Mittlerweile hat der 1987 im russischen Nischni Nowgorod geborene Ausnahmekünstler die Konzertbühnen der Welt erobert. Seine auf CD erschienenen Einspielungen der fünf letzten Beethoven-Sonaten, der Diabelli-Variationen, von Bachs Goldberg-Variationen und den Paritas (BWV825-830), sowie von Frederic Rzewskis pianistischem Parforceritt „The People United Will Never Be Defeated“  haben Kritiker wie Musikfreunde gleichermaßen begeistert. Nun hat er Dmitri Schostakowitschs 24 Präludien und Fugen op. 87 im Programm. Die Aufführung dieses Großwerkes in der Tonhalle Zürich nahm Tom Hellat von der Aargauer Zeitung zum Anlass, Igor Levit über Schostakowitsch, zum Verhältnis von Kunst und Politik und zu unseren aktuellen gesellschaftlichen Problemen und politischen Herausforderungen zu befragen. Dabei erweist sich der Star-Pianist als ebenso wacher, wie streitbarer Zeitgenosse, der auch und gerade in der Flüchtlingsfrage engagiert Stellung bezieht. Zum Interview 

Auch beim Rheingau Musik Festival auf Schloss Johannisberg führte Igor Levit den dreistündigen Zyklus auf. Lesen Sie hier die Rezension von Dietrich Stern im Wiesbadener Kurier.  


Schostakowitsch-Schwerpunkt in Salzburg 

Mit einem Schostakowitsch-Schwerpunkt wartet das Programm der Salzburger Festspiele 2017 auf, das Markus Hinterhäuser, der neuer Intendant des weltweit bedeutendsten Festivals der klassischen Musik und darstellenden Kunst, unlängst vorstellte. Im Mittelpunkt steht dabei eine Neuproduktion von Dmitri Schostakowitschs großer, schicksalsträchtiger Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ in der Inszenierung von Andreas Kriegenburg mit Nina Stemme in der Titelrolle. Mariss Jansons dirigiert die Wiener Philharmoniker. 

Flankierend zur Oper steht im Konzertprogramm der Schwerpunkt „Zeit mit Schostakowitsch“ mit zahlreichen, exemplarischen Werken aus dem symphonischen und kammermusikalischen Schaffen des großen russischen Komponisten. So führen die Wiener Philharmoniker unter Andris Nelsons die Symphonie Nr. 7 C-Dur (Leningrader), die Berliner Philharmoniker unter Simon Rattle die Symphonien Nr. 1 f-Moll und 15 A-Dur und das West-Eastern Divan Orchestra unter Daniel Barenboim das Konzert für Klavier, Trompeter und Streichorchester c-Moll auf (Solisten: Martha Argerich und Bassam Mussad). Bei den Kammermusikkonzerten sticht vor allem die Aufführung der 24 Präludien und Fugen op. 87 durch Igor Levit hervor. Daneben geraten die Streichquartette Nr. 8 und Nr. 15 (Hagen Quartett), die Violinsonate (Christian Tetzlaff und Leif Ove Andsnes), die Stücke „Dante“, „Tod“ und „Nacht“ aus der Suite auf Verse von Michelangelo op. 145 (Matthias Goerne, Daniil Trifonov), sowie die Bearbeitung der Symphonie Nr. 15 für Kammermusikensemble zur Aufführung. Die Salzburger Festspiele 2017 finden vom 21. Juli bis 30. August 2017 statt. 

Zur Homepage der Salzburger Festspiele  

Der Schostakowitsch-Schwerpunkt mit allen Terminen als pdf-Download 

Im Gespräch mit Walter Weldringer für „Die Presse“ berichtet Dirigent Mariss Jansons unter anderem über seine persönlichen Erinnerungen an Dmitri Schostakowitsch und über sein Dirigat von Schostakowitschs Schicksalsoper „Lady Macbeth von Mzensk“. 


Denkwürdig und berührend

Krzysztof Meyer und Gennady Rozhdestvensky. Foto ©: Matthias Creutziger

Mit einem Sonderkonzert der Staatskapelle Dresden haben am Donnerstag, 22. Juni 2017 in der Semperoper die 8. Internationalen Schostakowitsch Tage Gohrisch begonnen. Es war für alle Beteiligten ein ebenso denkwürdiger wie berührender Abend. 

Maßgeblichen Anteil daran hatte Gennady Rozhdestvensky.  Der mittlerweile 86-jährige Grandseigneur der russischen Dirigentengilde, dem im vergangenen Jahr für seine großen Verdienste um Schostakowitschs Musik der Schostakowitsch Preis Gohrisch verliehen wurde, interpretierte mit dem Dresdner Spitzenorchester die erste und die 15. Symphonie des großen Russen. Ob nun bei der genialischen Ersten mit ihrer ganz eigenen Mischung aus jugendlichem Elan und kompositorischer Frühreife, oder bei der verrätselten Janusköpfigkeit von Schostakowitschs symphonischen Schwanengesang - Rozhdestvensky und der hochkonzentriert aufspielenden Staatskapelle gelangen mustergültige Werkdeutungen, die lange in Erinnerung bleiben werden und vom Publikum mit begeisterten Applaus und Standing Ovations gefeiert wurden. Eine Aufzeichnung des Konzertes wurde von MDR Kultur am 4. August 2017 gesendet.

Einen ausführlichen Bericht über die achten Internationalen Schostakowitsch Tage Gohrisch lesen Sie hier


Salzburg: Gefeierte Premiere der Lady Macbeth

„Die Premiere von Dmitri Schostakowitschs Oper Lady Macbeth von Mzensk in Salzburg ist in der Opernwelt ein großer Erfolg. In der politischen Welt ist die Oper ein feines Fanal für Widerständigkeit gegen Despoten“, schreibt Wolfram Weimer in seiner Rezession für das Debatten-Magazin „The European“. Und Gerald Heidegger schwärmt auf ORF.at von einer „Interpretation dieses hemmungslosen Musikstücks (…), die das Publikum atemlos zurückließ“. 

Das Medienecho auf die Neuinszenierung von Dmitri Schostakowitschs Schicksalsoper, die am 2. August im Großen Festspielhaus Premiere hatte, ist  gewaltig. Fast einhellig gelobt werden von den Kritikern die Leistungen der Wiener Philharmoniker unter dem großartigen Mariss Jansons und der Katharina-Darstellerin Nina Stemme. Nicht ganz so einheitlich fällt das Urteil über die Regiearbeit von Andreas Kriegenburg aus, der das erste Mal in Salzburg inszenierte.


Hier eine kleine Rezensions-Auswahl:

Lady Macbeth: Russian Psycho in Salzburg,  Gerald Heidegger, ORF.at  

Stalin ärgert das noch in der Hölle, Wolfgang Weimer, The European 

Mehr Chaos, bitte!, Christian Wildhagen, Neue Zürcher Zeitung 

Fauchen und Stöhnen, Georg Rudiger, Badische Zeitung 

Wohl temperierter Peitschschwung, Regine Müller, Kölner Stadt-Anzeiger 

Armutszeugnis im Plattenbau, Markus Thiel, Münchener Merkur 

Lady Macbeth von Mzensk, Peter Jungblut, Bayrischer Rundfunk 

Spektakuläres Opernkino, Karl Harb, Salzburger Nachrichten 

Großartig: „Lady Macbeth von Mzensk“, Otto Paul Burkhardt, Südwest Presse 

Postsowjetische Gewaltorgie, Christoph Schmitz, Deutschlandfunk 

Ausgestoßen vom Zucken der Lust, Jan Brachmann, Frankfurter Allgemeine Zeitung 

Die Wucht der Verunsicherung, Hans-Klaus Jungheinrich, Frankfurter Rundschau 

Exzess in der Trabantenstadt, Udo Badelt, Der Tagesspiegel 


Trailer der Festspiele Salzburg mit Szenenausschnitten aus der Lady-Macbeth-Inszenierung und einem Interview mit dem Regisseur Andreas Kriegenburg.  


Ritual der Selbsterkundung

Igor Levit. Foto ©: Robbie Lawrence

Dmitri Schostakowitschs 1950/51 komponierte 24 Präludien und Fugen, op. 87 sind ein überaus vielschichtiges Werk. Ebenso Verneigung vor dem musikalischen Genie Johann Sebastian Bachs, als auch Dokument der künstlerischen Selbstbestimmung, Selbsterkundung und Selbstvergewisserung. Und nicht zuletzt ein klingendes Zeugnis der mutigen Selbstbehauptung eines einmal mehr als Volksfeind verfemten und gemaßregelten Komponisten gegen die Anwürfe stalinistischer Kulturbürokraten, die derlei filigrane Tonsetzerkunst mit dem ideologisch verbrämten Formalismus-Fluch belegten. Alexander Melnikov führte den außergewöhnlichen Klavier-Zyklus, der mit seiner rund dreistündigen Aufführungsdauer Solisten und Publikum vor besondere Herausforderungen stellt, im Juni bei den achten Internationalen Schostakowitsch Tagen Gohrisch auf. Nun stellte Igor Levit das Werk bei den Salzburger Festspielen vor. Das Konzert im Rahmen der Programmschiene „Zeit für Schostakowitsch“ war ein musikalisches Großereignis, wie Marco Frei in seiner Rezension in der Neuen Zürcher Zeitung bilanziert. 


Schostakowitsch und die zweite Avantgarde

Die Deutsche Schostakowitsch Gesellschaft e.V. lädt zu ihrem XVIII. Musikwissenschaftlichen Symposium am 15. und 16. September 2017 in Berlin ein. Das Thema des Symposiums lautet diesmal „Schostakowitsch und die Zweite Avantgarde“. Nachdem das XVII. Symposium vor zwei Jahren Schostakowitschs Rolle innerhalb der musikalischen Avantgarde der 1920er Jahre beleuchtete, widmet sich das diesjährige Symposium dem durchaus nicht spannungsfreien, vielfach aber auch sehr ambivalenten Verhältnis zwischen dem in seiner letzten Schaffensperiode stehenden sowjetrussischen Jahrhundertkomponisten und den Vertretern der west- und osteuropäischen Avantgarde der 1960er und 1970er Jahre. Namhafte Referenten und Schostakowitsch-Experten werden in den Räumen der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in der Acker Straße 76 in Berlin dieser ebenso spannenden wie vielschichtigen Thematik nachgehen und auch Möglichkeiten für eine Neubewertung ausloten. Am Freitagabend findet zudem ein Kammerkonzert mit dem international bekannten Lutosławski Quartett statt. Weitere Informationen zur Anmeldung, zum Tagungsort, sowie das ausführliche Symposiumsprogramm finden Sie hier 

 

Triumphaler Saisonauftakt mit Schostakowitschs Fünfter

Mit Dmitri Schostakowitschs 5. Sinfonie brilliert derzeit das NDR Elbphilharmonieorchester unter seinem Ersten Gastdirigent Krzysztof Urbański . Das Publikum erlebte einen triumphalen Saisonauftakt in der Elbphilharmonie, schrieb beispielsweise die „Welt“. Neben Schostakowitschs schicksalhafter Fünften, stand Strawinskys „Scherzo à la russe“ und das 2. Klavierkonzert von Prokofjew (Solistin: Anna Vinnitskaja) auf dem Programm. In einem Probenvideo erklärt Urbański  seinen künstlerischen Zugang zur 5. Sinfonie des großen Russen. Diese sei vermutlich eine der größten Sinfonien, die in der Musikgeschichte geschrieben wurden. Ein Spagat zwischen künstlerischer Freiheit und politischer Ideologie:


100 Jahre Oktoberrevolution: Aufbruch in die kulturelle Sackgasse?

Vor einhundert Jahren endete mit der Oktoberevolution das alte Russland. Die Auswirkungen der revolutionären Umbrüche waren gewaltig und schon bald auch im Bereich der Kultur spürbar. Was jedoch eine revolutionäre, sozialistische Kunst sein soll, war zunächst eine offene Frage. Eine ausgearbeitete linke Theorie hierzu gab es nicht. Unter dem weltoffenen, von 1917 bis 1929 amtierenden Volkskommissar für das Bildungswesen Anatoli Lunatscharski standen der sowjetrussischen Avantgarde noch gewisse Freiräume offen, die sich aber ab dem Ende der zwanziger Jahre mehr und mehr schlossen. Derek Weber widmet dieser ebenso spannenden wie fruchtbaren Periode der russischen Kulturgeschichte ein Essay in den Salzburger Nachrichten und beleuchtet darin insbesondere die Rolle, die der junge Komponist Dmitri Schostakowitsch einnahm.  


Im Schatten der Oktoberrevolution 

Im Jahr 2017 jährt sich die russische Oktoberrevolution zum 100. Mal. Die Machtübernahme der kommunistischen Bolschewiki hat die Welt für immer verändert und mit ihr das Leben von Millionen Menschen. Dies spiegelt sich auch im Leben und Wirken dreier großer russischer Komponisten des 20. Jahrhunderts: Dmitri Schostakowitsch, Sergej Rachmaninow und Sergej Prokofjew. Der deutsch-französische Kulturkanal Arte hat hierzu eine bemerkenswerte Dokumentation ausgestrahlt, die in der Arte-Mediathek abgerufen werden konnte. 

Mit Hilfe von Interviews zeigt „Im Schatten des Roten Oktober“ (Regie: Anna Schmidt) eindringlich auf, wie direkt die politischen und kulturellen Umwälzungen das Leben und Schaffen der Musiker beeinflussten. Denn zwischen Fortschrittsglauben und Ernüchterung, zwischen Anpassung und Emigration mussten sie sich zur sowjetischen Diktatur positionieren. Neben Schostakowitschs Witwe Irina kommt die renommierte russische Musikhistorikerin Svetlana Savenko zu Wort, der Musikwissenschaftler Simon Morrison von der Princeton University sowie der Schostakowitsch-Biograf Krzysztof Meyer, der Pianist Daniil Trifonov und Mitglieder des Borodin-Quartetts. Krzysztof Meyer, der auch Präsident der Deutschen Schostakowitsch Gesellschaft ist, beklagt darin auch den Schatten, den die stalinistische Diktatur noch immer auf das Werk Dmitri Schostakowitschs wirft: „Warum sprechen wir so wenig über die Vollkommenheit seiner Kunst? Das ist einmalig im 20. Jahrhundert.“


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Die Zwölfte. Ein polarisierendes Werk.

Mehrfach hat sich Dmitri Schostakowitsch mit der „Großen Sozialistischen Oktoberevolution“ beschäftigt. Erstmals 1927 in seiner Symphonie Nr. 2 „An den Oktober“ – ein Auftragswerk der Agitationsabteilung des Musikverlags „Mus-sektor“ zum zehnjährigen Jubiläum der Oktoberrevolution. Letztmals 1967, als er das – recht kurze – symphonische Poem „Oktober“ für die 50-Jahr-Feierlichkeiten beisteuerte. Dazwischen lag, 1961, die Komposition seiner 12. Symphonie in d-Moll, der er den Untertitel „Das Jahr 1917“ gab und die im Umfeld des XXII. Parteitags der KPdSU uraufgeführt wurde. Noch immer gilt Schostakowitschs Zwölfte als  umstrittenes Werk, das Kritiker und Zuhörer gleichermaßen polarisiert. Im Westen wurde ihre „monumentale Trivialität“ (Peter Heyworth) kritisiert und von Rostropowitsch ist die Äußerung überliefert, Schostakowitschs Gewissen habe es nicht zugelassen, dieses Werk so gut zu schreiben, dass es in die Geschichte eingehe. Es sei schade, dass sein Genie damit so viel Zeit vergeudet habe.

Am 7. November 2017 jährt sich zum 100. Mal die gewaltsame Machtübernahme in Russland durch die kommunistischen Bolschewiki unter Führung Wladimir Iljitsch Lenins. Ein guter Anlass, sich wieder mit dem musikalischen Nachhall dieses Ereignisses im Schaffen Dmitri Schostakowitschs auseinanderzusetzen. Gelegenheit hierzu geben beispielsweise zwei Konzerte des Publikumsorchesters des Konzerthauses Berlin, bei denen die 12. Symphonie unter der Leitung von Dirk Wucherpfennig aufgeführt wird. Wucherpfennig hat sich in seiner Masterarbeit intensiv mit der Zwölften auseinandergesetzt. Vor den Konzerten wird der Musikwissenschaftler Steffen Georgi eine Einführung in das Werk geben.   

Die Konzerttermine: Am 15. November 2017, um 20 Uhr, im Großen Saal des Russischen Hauses in der Friedrichsstraße 176-179 in Berlin (mit begleitender Ausstellung „Frauenbild der Oktoberrevolution“). Karten an der Kasse RHWK, Tel.: 030 20 30 23 20. Sowie als „Espressokonzert“ am 6. Dezember 2017, um 14 Uhr im Großen Saal des Konzerthauses Berlin. Karten an der Kasse Konzerthaus Berlin, Besucherservice, Tickethotline: 030 20 30 9 - 21 01 oder im Internet unter      


Der Bolschewik, Ölgemälde von Boris Kustodijew (1920). Foto: Wikipedia


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