Deutsche Schostakowitsch Gesellschaft e.V.

Dmitri Schostakowitsch, 25. September 1906  ─  9. August 1975


Spielerische Daseinsbewältigung 

Zum Vergrößern bitte auf die Bilder klicken. Fotos Karlheinz Schiedel

Das Bild spricht Bände. Es zeigt den berühmten Komponisten Dmitri Schostakowitsch bei einem Fußballspiel seiner Lieblingsmannschaft Zenit Leningrad. Gelöste Gesichtzüge, Schildmütze auf dem Kopf, fröhliche Fußballfans um ihn herum. Eine Momentaufnahme gewiss. Eine Momentaufnahme zumal, die so gar nicht ins Bild passen will, das sich Musikfreunde in aller Welt gemeinhin von dem russischen Jahrhundertkomponisten machen. Gleichwohl ist seine Fußballbegeisterung mehr als eine „biografische Randerscheinung“. Sie findet nicht nur künstlerischen Niederschlag in einigen seiner Werke, sondern half ihn auch bei der Daseinsbewältigung: „Ohne Fußball hätte er sein Leben zwischen intellektueller Überlastung und den ständigen politischen Zwängen nicht ausgehalten“, schrieb seine Biografin Sofia Chentowa. Robert Goepel, Psychotherapeut, Objektkünstler und selbst begeisterter Fußballspieler, hat sich mit Schostakowitschs Fußballleidenschaft künstlerisch auseinandergesetzt. Eine Ausstellung seiner Werke stieß im Rahmen des XVII. Musikwissenschaftlichen Symposiums der Deutschen Schostakowitsch Gesellschaft am 25. und 26. September in den Räumen der HMKW Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft Berlin auf großes Interesse. 

„Das Bemerkenswerte ist für mich, dass ein Mann der Hochkultur sich in die Niederungen der Trivialkultur begeben hat und ganz offenbar diese beiden doch sehr entfernt liegenden Kulturbereiche in sich zu integrieren vermochte“, erzählt der in Bonn-Beuel lebende Künstler, der sich selbst als „künstlerischer Autodidakt“ bezeichnet, aber bereits auf eine eindrucksvolle Liste an Einzel- und Gruppenausstellungen verweisen kann. „Auch einige andere Künstler - ich weiß von Elgar, Dürrenmatt, Camus, Pasolini - hatten diese Leidenschaft zum Volkssport Fußball“, so Goepel weiter, „Schostakowitsch scheint mir aber am weitaus interessantesten, da der Fußball für ihn in der Stalin-Diktatur über die Leidenschaft hinaus eine befreiende, kompensatorische Funktion erfüllte.“

Ein Schaukasten - das zentrale Objekt seiner Installation „Hommage á Schostakowitsch“ - macht diese befreiende, kompensatorische Funktion mit den Mitteln der Foto- und Objektcollage auf spielerisch-kreative Weise begreifbar. Witzige Details eingeschlossen. Etwa wenn Schiedsrichter Dmitri - Schostakowitsch war ja tatsächlich stolzer Besitzer eines Schiedsrichterdiploms - dem selbsternannten „Wohltäter der Menschheit“ und elenden Menschenschlächter Stalin die Rote Karte zeigt.  

Um den Schaukasten herum gruppiert sich die Objektserie „Fußballschuh im Geigenkasten“, zwölf Objektcollagen, die phantasievoll, farbenfroh und mit schier unendlicher Liebe zum Detail das Thema Fußball und (Lebens-)Welt variieren. Wobei sich die gestalterische Grundidee - eine alte, gebrauchte Geigenkastenhälte, in denen ebenfalls ausgediente, verschlissene Fußballschuhe integriert sind - wiederholt. Einem musikalischen Variationensatz nicht unähnlich. Hier wie dort sind es die künstlerischen Einfälle, die gestalterischen Ideen, die Kreativität, die beim schöpferischen Schaffensprozess freigesetzt wird, die der Komposition Leben einhauchen. Robert Goepel gelingt dies eindrucksvoll mit viel filigraner Phantasie. Mal ist es der Schädel eines Ziegenbocks oder Karibus der aus einem Fußballschuh herausblökt und an die Vereinsmaskottchen des 1. FC Köln oder von Zenit St. Petersburg erinnert, mal ein arthritisch verbogener Ast, der an einen Greisenkick denken lässt. Oder zerschossene Metallplatten, die auf die „Kriegsersatzfunktion“ fußballerischer Auseinandersetzungen anspielen. Im Objekt „Fußballkunst“ kombiniert Goepel die absurden Installationen eines Josef Beuys mit dem grell lodernden Enthusiasmus eines Vincent van Gogh. Und zwischen den Barthaaren, die der Künstler für dieses Werk opferte, lugt auch ein Foto von Dmitri Schostakowitsch hervor - passgenaue Kreativität von Fußballzauberern.

In sämtlichen Objekten gibt der Künstler Persönliches preis - Ausdruck einer tiefen Verbundenheit, die ihn mit seinem Thema verbindet. Auch als 70-Jährigen findet man ihn dreimal die Woche auf dem Fußballplatz - als leidenschaftlicher Fußballspieler wohlgemerkt. Die verwendeten und umgestalteten Fußballschuhe hat er fast alle selbst getragen, in „Fußballkunst“ finden sich Haarbällchen der einen, in „Federleicht“ eine kleine gerahmte Collage seiner anderen Tochter und in dem Werk „Schlüsselspiel“ sind Hausschlüssel seiner verstorbenen Eltern integriert. Die Wahl von altehrwürdigen, bisweilen dem Müll entrissenen Bestandteilen soll, so Goepel, die Zeitlosigkeit des Zaubers von Fußball, wie auch von Musik verdeutlichen. Dass das gezeigte zwölfteilige Ensemble mehr ist als eine Folge von Einzelstücken, sondern sich zu einem mannschaftlich-orchestralem Ganzen fügt, ist nicht nur Gestaltungswille des Künstlers, sondern teilt sich dem Betrachter unmittelbar mit. Ein starkes Stück würde der Musikrezensent schreiben, ein tolles Spiel der Fußballreporter.

 Karlheinz Schiedel

Kontakt zum Künstler per E-Mail unter: goepel-bonn@t-online.de   

       


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